Kapitel 6

Beschreibung der Hauptschuttbahn
Schwierige Interpretationslagen und Legenden




Zunächst sollte eine Kippe für die Sebalder Altstadt im Bereich neue Gasse entstehen und so gab man eine Meldung im Amtsblatt bekannt, um diese zeitnah benutzen zu können:

Im Bereich des Gebietes nördliches Pegnitzufer, Neue Gasse, Tucherstraße, am Sand, Ebernsgasse wird für die Schutträumung der Altstadt eine Zwischenkippe angelegt. Anwohner und Hausbesitzer, die vermuten, dass aus unbeschädigten Kellern noch brauchbares Eigentum geborgen werden kann, werden gebeten, im Hochbauamt-Abteilung Räumung, Bauhof 9 Zimmer 421 bis spätestens 30. November 1946 vorzusprechen.

Quelle: Stadtarchiv Nürnberg, Tiefbauamt Akte C20-VIII Nr. 1

Die 600-mm-Bahnen der nördlichen Altstadt schafften reichlich Schutt, zunächst auf die Kippe neue Gasse und binnen kurzen war nicht nur die Kippe neue Gasse sondern die ganze vollkommen zerstörte Fläche hinter der Frauenkirche bis einschließlich Hans-Sachs-Platz voller Trümmerberge. Und ein Ende war nicht in Sicht. Auf einem nicht näher datierten Schreiben von 1946 stellt sich die Situation so dar:

Betreff:    Schutzablagerungsplätze

 

 

Die z.Zt. vorhandenen Schuttplätze reichen zur Unterbringung

des anfallenden Schuttes nicht mehr aus. Es wurde daher im

Juli d. J. seitens des Hochbauamtes Abt. Räumung die Errich-

tung eines weiteren Schuttplatzes auf dem Gelände der ehem.

Polit. Leiter am Wolfsgraben bei Fischbach (Fassungsvermögen

6 500 000 cbm) vorgesehen. Wegen des Treibstoffmangels muß der bereits bestehende Schuttplatz an der Scharrer- Regens-

burgerstraße als Zwischenlagerungsplatz benützt und der Schutt

von dort aus auf einer Geleisanlage zu dem neuen Schuttplatze

befördert werden. Die Verhandlungen wurden bereits am 13.7.46

wegen des Erwerb des neuen Geländes an GrA geleitet. Der

Platz wurde auch vermessen und abgesteckt. Seit dieser Zeit

ist die Angelegenheit stecken beblieben.

 

Der oben erwähnte Schuttplatz an der Scharrerstraße wurde von

Juli bis heute so stark beschüttet, daß mit seiner Auflassung

in den nächsten Wochen zu rechnen ist.

 

Der noch vorhandene Hauptschuttabladeplatz “ Fuchsloch “ ist

der einzige Platz für alle Unratablagerungen in der Nähe des Stadtgebietes. Um ihn noch benützen zu können, mußte die

Schüttgrenze erweitert werden. Für die Aufnahme von größeren

Schuttmengen kommt dieser Platz überhaupt nicht in Betracht.

 

Der neu eröffnete Schuttplatz an der Heisterstraße bei Maiach

steht zwar auch zur Verfügung, liegt aber vom Stadtgebiet zu

weit entfernt. Bei dem großen Reifenmangel und der Benzinknapp-

heit ist die vorgesehene Benutzung des Schuttplatzes bei Fisch-

bach in Verbindung mit dem Zwischenablagerungsplatz an der

Scharrerstraße als die beste Lösung zu betrachten. Voraus-

setzung ist jedoch, dass mit dem Bau der Geleisanlage baldigst

begonnen wird. Wie schon erwähnt, muß sonst der Schuttplatz an

der Scharrerstraße wegen vollständiger Aufschüttung in der
allernächsten Zeit aufgelassen werden.

 

Die umgehende Regelung der Angelegenheit erweist sich daher

als dringend erforderlich.

Quelle: Stadtarchiv Nürnberg, C 20/VIII Nr. 1

Die Bedarfsermittlung (siehe Kapitel 1) hatte für die Sebalder Altstadt und Wöhrd eine "großspurige" 900-mm-Bahn als bestes Verkehrsmittel ergeben. Die Möglichkeit 7 m³ pro Lore zu befördern - im Kontrast zu den meist nur 1 m³ fassenden 600-mm-Loren - sollte der drängenden Frage, wohin mit dem Schutt, Abhilfe tun. Dies war also die Ausgangslage, warum Eile geboten war, die 900-mm-Hauptabfuhrstrecke zügig zu errichten. Seitens der Stadt hatte man sehr konkrete Vorstellungen, wie die künftige Bahn auszusehen habe, und diese wurden in den Ausschreibungsunterlagen festgehalten. In diese werfen wir einen auszugsweisen Blick:

Städt. Hochbauamt Nürnberg

Abteilung HRB

 

 

 

[...]

 

Angebot

 

Auf die Ausführung des Schuttransportes von den Schutthalten Scharrer-

straße und Neue Gasse zur Kippe Fischbach.

 

 

Vorbemerkungen:

 

Gegenstand des Angebot ist das Laden von dritter Seite zu den Schutthalden Scharrerstraße und Neue Gasse angefahrenen bezw. noch an-

zufahrenden Trümmerschuttes, der Transport dieses Trümmerschuttes mit

Förderwagen von 900mm Spurweite von den Schutthalden zur endgültigen Kippe in Fischbach, sowie das Abkippen dieser Massen auf dieser Ab-

lagerungsfläche.

 

Der Abtransport des Schuttes erfolgt auf einer Förderbahn mit 900 mm

Spurweite nach der auf ausliegenden Lageplan eingetragenen und in An-

lage Nr. 1 kurz beschriebenen Trasse. Diese Förderbahn ist auf eine durch-

schnittliche Tagesleistung von 600 cbm für den Massenabtransport von jeder

der beiden Kippen Scharrerstraße und Neue Gasse ausgelegt.

 

Erweiterung des Auftrags zu den Bedienungen dieses Angebotes auf Schuttabfuhr von weiteren, noch anzulegenden Zwischenkippen bleibt vorbehalten. Desgleichen die Übertragung eines besonderen Räumbezirkes mit unmittelbarer Beladung vom Bagger auf die Loren der Förderbahn von 900 mm Spurweite. Ferner werden Umladerampen vorgesehen zwecks Umladung der von dritter Seite heranzubringenden Züge von 600-mm-Spur

in die Wagen der Hauptabfuhrbahn.

 

Die Abrechnung der geförderten Massen erfolgt durch Zählung der abgefahrenen Förderwagen, nachdem der Normalinhalt der einzelnen Wagentypen durch gemeinschaftliches Aufmaß festgelegt worden ist.

Jeder Förderwagen ist, je nach Inhalt, an beiden Seiten durch den Unternehmer nach Angabe der Bauleitung dauerhaft zu kennzeichnen. Jedem

Zug ist ein von der Bauleitung anerkannter Abfertigungsschein mitzugeben. Für die Abfertigungsstelle ist vom Auftragnehmer der Bauleistung ein heizbarer, verschließbarer Raum beizustellen. Die beiderseits anerkannten Abfertigungsscheine sind listenweise zusammenzufassen und bilden die Grundlage für die Abrechnung. Die Bauleitung hat das Recht, die Richtigkeit der mitgeführten Abfertigungsscheine an

einer beliebigen Stelle der Strecke durch Stichproben einer weiteren Kontrolle zu unterziehen und g.F. unter Hinzuziehung einer Aufsichtsperson des Auftragsnehmers zu berichtigen. Werden Förderwagen nicht ihrem gekennzeichneten Förderinhalt entsprechend beladen festgestellt, so erfolgt für den ganzen Zug ein Strafabzug in Höhe von 10%.

 

[...]

Eine Ausführung der Tätigkeiten im Nachbetrieb ist nicht vorgesehen.

 

Erreicht der Auftragnehmer nicht seine vertraglich übernommene Förder-

Leistung, so ist der Bauherr berechtigt, unter Benutzung der vorhandenen Gleisanlage weitere Firmen einzusetzen.

[...]

 

Quelle: Stadtarchiv Nürnberg, C 119 Nr. 16


Die Erwähnte Anlage 1 ist natürlich besonders interessant, denn während der Streckenverlauf ab dem Dürrenhoftunnel durch die Aufnahmen Charles Louis Bandys (Siehe Trümmer, Dampf und Wiederaufbau, Film von Ton Pruissen) gut dokumentiert ist, gibt es über den Verlauf innnerhalb der Stadtmauer einige Unsicherheiten, die zu gewissen Widersprüchen geführt haben. Aber lassen wir erst die Akten sprechen:

                                                    Anlage 1   

 

Gleisverlauf:

 

Am Sand – Hintere Fischergasse – Hübnersturm – Steubenbrücke –

Prinzregentenufer – Wöhrder Talübergang – Vogelsgarten – Bahn-

Hofsstraße – Dürrenhofstraße – Regensburgersraße bis Fischbach.

 

Streckenbeschreibung:

 

Im Gebiet der Kippe Nördl. Pegnitzufer – Neue Gasse – Tucher-

straße werden 3 Ladegleise verlegt, welche am Sand in das Ab-

fahrtgleis einmünden. Mit einem Radius von ca. 100m verläuft

das Gleis über die vordere und hintere Fischergasse zum Hübners-

turm. Diese Strecke, in welche u.U. eine Ausweiche eingefügt

werden kann, liegt teilweise außerhalb der Straße in den Häuser-

trümmern. Die Häuserreste sind einzulegen, die Schuttmassen bei-

seite zu setzen, Kellerdecken einzuschlagen und die Keller zu ver-

füllen. Der Durchbruch durch die Stadtmauer am Hübnersturm ist an

einer geeigneten Stelle zu auszuführen, die anfallenden Quader zur

späteren Wiederherstellung entsprechend zu lagern. Bei der Gleis-

führung unter der Steubenbrücke ist das Gleis unter Berücksich-

tigung des Lichtraumprofiles möglichst nahe an das nördl. Wider-

lager zu rücken. Die Untersicht der Brücke ist, um die Sandsteine

vor der schädlichen Einwirkung der Lokabdämpfe zu schützen, mit

einer Schalung oder einem Schutzanstrich zu versehen. Vom Hübners-

turm ab ist das Gleis um 50 – 60cm höher zu legen, wobei die Bet-

tung jeweils bis zu den Widerlagern, Stützmauern oder Böschungen

anzulegen ist. Gegen die Pegnitz ist die Bettung mit im Räumgebiet

anfallenden Sandsteinen zu befestigen, um ein Unterspülen bei Hoch-

wasser zu verhindern. Die Auffahrt zum Prinzregentenufer mit einer

Steigung von 2,5 % erfolgt im Zuge des bestehenden befestig-

ten Weges. Für einen evtl. später entstehenden Gleisanschluss zur

Räumung des nördl. Stadtteiles ist am Prinzregentenufer eine Weiche einzubauen. Der Übergang über die Pegnitz über die Pegnitz erfolgt mit einem Seiten des Auftraggebers gestellten Pioniergerät (Kohnbrücke ohne Joche) von 30,0m Länge. Im Anschluss an den

Wöhrder Talübergang ist eine Dammschüttung erforderlich, wobei

die Kohnbrücke mit bauseits gelieferten Trägerprofilen, den statischen Erfordernissen entsprechend, um etwa 10,0 m verlängert wird. Der Gehsteig des Wöhrder Talübergangs (Brücke 2) ist bei Benutzung durch das Gleis abzustützen. Die Überführung über den südl. Pegnitzarm erfolgt ebenfalls mittels bauseits gestellter Trägerprofile. Im Einvernehmen mit den Städt. Werken - Verkehrsbetriebe – ist die schienengleiche Kreuzung der Straßenbahn Bahnhofstraße – Dürrenhofstraße, sowie Schlossstrasse (Straßenbahn-Depot) herzustellen.

Die Durchführung der Gleise bei den Unterführungen der Eisenbahn

Regensburg und Rangierbahnhof in der Regensburger Straße erfolgt

zwischen den aufgestellten Jochen und Widerlagern auf dem Geh-

steig, wobei dem Lichtrumprofil gemäß der eine Abräumung und An-

gleichung der Böschung erforderlich sein wird. Zur Ausgleichung

 

 

- 2 -

 

des  hier bestehenden starken Gefälles ist es erforderlich, die

Gleise erhöht zu legen, wodurch eine Neigung von etwa 2% und

eine Steigung von etwa 2,25 % erreicht werden kann.

 

Die Steigung der gesamten Strecke bis Fischbach liegt zwischen

0,2 % bis 1,00 %.

 

Sämtliche Straßenkreuzungen sind verkehrssicher anzurampen und

die Übergänge für Fußgänger entsprechend anzulegen.

 

Sämtliche Schächte für Kanalisation, Gas, Wasser, usw. welche

innerhalb der Gleisführung liegen, sind so abzudecken, daß sie

jederzeit benutzt werden können.

 

Die Baumbestände sind zu schonen, nach Möglichkeit jeder Baum

zu erhalten, und im Bedarfsfalle durch Schalung vor Beschädigung

zu schützen  

Quelle: Stadtarchiv Nürnberg, C 119 Nr. 16

Betrachtet man diese Schilderung für sich isoliert, dann scheinen abschließend alle Fragen, über den Verlauf der Mollbahn final geklärt. Übereinstimmend mit der Karte aus C119 Nr. 16 gäbe es dann so einen Verlauf in der Innenstadt:

Freihandskizze auf Basis von Plänen des Stadtarchives C119 Nr. 16.


Allerdings entspricht das weder den bekannten Bildern, noch der mündlichen Überlieferung. Denn zum einen gibt es Bilder mit Rollmaterial der Mollbahn von ganz anderen Stellen der Altstadt, und dann gibt es auch noch die mündliche Überlieferung von einer Trümmerbahn, die im Bett der Pegnitz gelaufen sei und viele die diese aufgreifen, weisen diese Geschichte der Mollbahn zu. Schlüssel um obige Ausschreibung mit den Bildern in Übereinstimmung zu bringen, ist der Passus "Erweiterung des Auftrags zu den Bedingungen dieses Angebotes auf Schuttabfuhr von weiteren, noch anzulegenden Zwischenkippen bleibt vorbehalten. Desgleichen die Übertragung eines besonderen Räumbezirkes mit unmittelbarer Beladung vom Bagger auf die Loren der Förderbahn von 900 mm Spurweite." Die Mollbahn erreichte Ecken der Stadt, die nicht unmittelbarer Gegenstand dieser Ausschreibung waren, so den Hauptmarkt, den Theresienplatz aber auch die Trödelmarktinsel, nahe dem Henkersteg und sogar die Haller Wiese.

Wie im zweiten Kapitel schon erkenntlich, war der Bau dennoch nicht ohne Hürden, da die Pläne der Verkehrsbetriebe für die Kreuzungen vor dem Depot St. Peter von denen der Firma Moll abwichen, weswegen der Verkehrsbetrieb zunächst die Anfertigung der zweiten großen Kreuzung Dürrenhofstraße-Kressengartenstraße aufschob und sich der Materialbedarf von 2500 kg auf 4000 kg erhöhte. Die Verzögerung war besonders kitzlig, da inzwischen schon die Pegnitzbrücken gebaut waren und der Gleisbau die Kreuzung erreicht hatte, sodass die Kreuzung nun direkt die Nutzbarkeit der Hauptabfuhrbahn beeinflusste. Bevor wir uns aber Hürden und Leistungen im Einzelnen widmen werfen wir erst mal einen Blick auf die Bahnanlagen.

5. Kapitel: Bildteil 600 mm in Sebalder Alstadt und der Vorstadt

7. Kapitel: Bildteil 900 mm - Die Altstadt bis Prinzregentenufer

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