Kapitel 1

Ein Streifzug durch die Aktenlage - Ausgangslage und Bedarfsermittlung

über die Vorentwicklungen, also die NS-Zeit, die Anlässe des zweiten Weltkrieg dazu, warum es letztlich zu Angriffen auf Städte wie Nürnberg kam, lassen sich ganze Bibliotheken füllen, und mit Dokumentationen über diese Zeit nahezu eigene Fernsehsender betreiben... Ein erneutes Besprechen im Rahmen dieser Seite erscheint mir daher nicht sinnvoll. Es genügt, zur Kenntnis zu nehmen, dass spätestens nach dem verheerenden Angriff vom 2. Januar 1945 die Altstadt Nürnbergs so komplett in Schutt und Asche gelegt worden war, dass man die Notwendigkeit hatte, leistungsfähiges Gerät für die Schutträumung heran zu schaffen. Und mit dem Kriegsende am 8. Mai 1945 konnte man zumindest hoffen, dass die Schuttmenge sich nicht noch sehr weiter erhöhen würde, von gelegentlichen Einstürzen von Ruinen oder notwendigen Abtragungen abgesehen, sodass man eine vorsichtige Bestandsaufnahme machen und den weiteren Einsatz planen konnte. Die Mengen, wo wie viel Schutt lag, schwanken je nach Quelle und sind immer nur Schätzungen, nach Größe sortiert kamen auf die Südstadt 3,5 Millionen m³, dann Maxfeld und Wöhrd mit 3 Millionen m³ und zuletzt die Altstadt mit 2 Millionen m³. Der Mangel an Lastwagen, die Schuttmenge und die Beförderungskapazitäten wiesen gleich zu Beginn in Richtung Feldbahn, ein damals auch bei Großbaustellen übliches Transportmittel, wobei der weitaus größte Teil davon in 600-mm-Spur vorgesehen war. Dies ist ein bislang weitgehend vernachlässigtes Thema, da viele bekanntere Quellen beim Thema Trümmerbahn ausschließlich die 900-mm-Bahn von Moll berücksichtigen. Aus der Frühzeit der Aufräumarbeiten relativ wenig überliefert, allerdings findet man schon während des Kriegs lokal begrenzte Schuttbahnen, um größere Firmengelände zu räumen, diese bildeten aber noch kein zusammenhängendes Netz, wie nach dem Krieg. Einige dieser frühen Bahnen werden wir im Kapitel 2 näher sehen. In städtischen Akten findet sich erst zum 25. September 1945 ein Hinweis auf Feldbahnanlagen, die zeitgeschichtliche Sammlung des Stadtarchivs Nürnberg berichtet:

Die Schuttbahn von der Gustav-Adolf-Kirche bis zum Deutschen Stadion, die die Schuttmassen aus den südlichen Vorstädten und der südlichen Altstadt wegschaffen soll, wird in Betrieb genommen. Es werden dafür 350 deutsche Kriegsgefangene, 3 Dieselloks und 6 Autos eingesetzt.

Quelle: Stadtarchiv Nürnberg F 2 Nr. 48, S. 101.

Die Gustav-Adolf-Kirche ist jene neben dem heutigen Südbad, also nahe der Straßenbahnhaltestelle Wodanstraße. Das Deutsche Stadion als Teil des Reichsparteitagsgeländes ist über die Gründungsarbeiten nie hinausgekommen und der Ort, der später Silbersee und Silberbuck werden sollte. Wie diese Bahn jenen Bereich hinter dem Dutzendteich ansteuerte ist nicht näher überliefert, da sich hierzu jedoch noch keine Kreuzungsvereinbarungen (siehe Kapitel 4) mit der Straßenbahn finden, ist ein Verlauf entlang der Allersberger Straße und dann abknickend auf die Achse, die später einmal die Bayernstraße werden sollte, denkbar, da hier die Straßenbahn ab Tristanstraße im Tunnel beziehungsweise Einschnitt verlief und sich beide Verkehrsmittel höhenfrei kreuzen konnten (Die Kreuzungspunkte lägen in diesem Fall einmal über dem Tunnel Kongresshalle [später Bayernstraße]-Tiroler Straße und dann nochmal über dem Tunnel Kongresshalle-Oskar-von-Miller-Straße) heute bekannt als Kreuzung Bayernstraße-Münchner Straße)

^ Im Bereich der Bayernwanne konnten Trümmerbahn und Straßenbahn einander noch auf verschiedenen Ebenen ausweichen.
Genau über diesem Tunnel hat die erste Trümmerbahn wahrscheinlich auf Straßenniveau gequert. Bildquelle: Stadtarchiv Nürnberg: A 39/III Nr. Fi-A-768

 

Zuerst wurden Kriegsgefangene für die Trümmerräumung herangezogen, dies erklärt, warum es in Nürnberg Trümmerfrauen kaum, beziehungsweise in weit geringeren Umfang als in der sowjetischen Besatzungszone gab. Der Osten, hatte seine Kriegsgefangenen nach Sibirien weggeschafft, sodass dort nur die Frauen übrig blieben, diese Arbeit zu verrichten. Die Männer kehrten erst Jahre später, wenn überhaupt je, zurück. Zu diesem Thema recht interessant ist auch dieser Beitrag vom Deutschlandfunk unter den Titel "Den Kriegsschutt räumten andere weg" und auf die wissenschaftliche Arbeit (im pdf-Format) die Realität und den Mythos Trümmerfrau, die in Auszügen verfügbar ist. Es gab aber auch im Westen Ausreißer wie z. B. die Stadt Würzburg, die hauptsächlich von Frauen geräumt wurde, sodass pauschale Aussagen nicht wirklich möglich sind.
Was aber in jedem Fall stimmt: Die Bevölkerung an sich wollte man aber schon in die Räumung mit einzubeziehen und manche Ideen muten doch recht kurios an, wie man die Leute zur Teilnahme bewegen wollte. So findet sich unter dem 13. März 1946 die Meldung:

[...] über die freiwillige Mitarbeit der Bevölkerung an der Schutträumung (an Samstagnachmittagen und Sonntagen) entspinnt sich eine Debatte zwischen den Beiräten Karl (Komm.), Geier (CSU) und Dr. Erdmannsdorffer. Für den Wiederaufbau der Stadt soll nach Mitteilung von Oberbaudirektor Dr. Erdmansdorffer evtl. eine Lotterie veranstaltet und eine Spendenliste ausgelegt werden.

Quelle: Stadtarchiv Nürnberg F 2 Nr. 48, S. 135.

Offenbar schienen diese Ideen aber noch nicht gereicht zu haben, denn am 14. 06. 1946 musste doch eine allgemeine Pflichtarbeit eingeführt werden:

Auf Grund einer am 27. Mai ergangenen Anweisung der Militärregierung, die gesamte männliche Bevölkerung zur Schutträumung einzusetzen, beschließt der Stadtrat die Einführung von Pflichtarbeit zum Schutträumen für die ganze männliche Bevölkerung vom 16. - 60. Lebensjahr. Als Dauer des Einsatzes sind 50 Stunden vorgesehen, die im Wocheneinsatz von Montag bis Donnerstag (2 x 4 Tage) und im Wochenendeinsatz von Freitag bis Samstag (4 x 2 Tage) erfüllt werden können. Der Einsatz ist bestimmt zum Schutträumen von Straßen, Seitenwegen, Gehsteigen und zum Aussortieren und Putzen von Backsteinen. Gewährt wird eine Vergütung nach tarifmäßigen Sätzen, [...] bei Männern über 20 Jahre 0,79 RM die Stunde. Ein warmes Mittagessen wird kostenlos ohne Abverlangen von Marken gegeben. Holzschuhe können erforderlicherseits gestellt werden. Aufgerufen werden zunächst nur die 16 bis 30jährigen, zum ersten Einsatz haben sich bei dem für die Wohnung zuständigen Polizeirevier die Angehörigen der Jahrgänge 1924 mit 1929 zu melden. Bei der Meldung ist eine Bescheinigung des Arbeitgebers oder der Berufsorganisation über Voll- oder Nichtvollbeschäftigung vorzulegen, weil in erster Linie die nicht vollbeschäftigten Personen eingesetzt werden. Frühere Parteigenossen vom 16. - 60. Lebensjahr werden aufgefordert, sich sofort, noch vor Aufruf ihres Jahrganges bei den Polizeirevieren zu melden. Diese Pflichtarbeit muß und wird als Ehrendienst für die Stadt Nürnberg gewertet werden. Der Beschlußfassung war ein Bericht von Dr. Erdmannsdorffer und eine Diskussion vorausgegangen, in der Stadtrat Schirmer (KPD) Bedenken gegen zwangsweisen Einsatz erhebt. Ferner billigt der Stadtrat die Verträge mit Privatfirmen (Dyckerhoff & Widmann und Hochtief AG) wegen Errichtung einer Anlage zur Trümmerverwertung. Die Anlage soll in Bälde in Steinbühl errichtet werden.

Quelle: Stadtarchiv Nürnberg F 2 Nr. 48, S. 159 f.

Die Formulierung "frühere Parteigenossen" meint dabei NSDAP-Mitglieder, diese mussten ausnahmslos zur Schutträumung herangezogen werden, und zwar auf ehrenamtlicher Basis. Ein Zwischenstand 11. 12. 1946 listet für die Pflichtarbeit auf:

Geburtsjahrgänge 24-29: 5512
Parteigenossen: 11 205
Freiwillige: 30

Nachmeldungen bis 10.12 : 1 200
Parteigenossen: 600
Freiwillige Meldungen: 190

Die Frage, zu wessen Lasten die Schutträumung gehen sollte, sorgte lange für Unstimmigkeit, nahezu jedes zweite bis dritte Schreiben im C20/VIII-Ordner des Stadtarchivs zur Schutträumung dreht sich um die Frage der Finanzierung, denn die Stadt nahm die Grundstückeigentümer der zerstörten Gebäude in die Pflicht, wenn diese nicht in der Lage dazu waren, wurden maximal 1/3 der Kosten vorgestreckt. Die Betroffenen ihrerseits hatten natürlich andere Ideen, wer die Trümmerräumung zahlen sollte, so ist im Protokoll einer Besprechung zur Räumung im Bereich Gibitzenhof zu lesen:

Im übrigen war unter den anwesenden Hausbesitzern allgemein der Grundsatz laut geworden, das die nicht betroffenen Hauseigentümer die Kosten der Schutträumung zu tragen hätten, damit sie auch einmal etwas von den Folgen des Krieges verspüren würden.

Quelle: Stadtarchiv Nürnberg, Tiefbauamt Akte C20-VIII Nr. 1

Erste Erfolge zumindest in der Südstadt gab es relativ bald, wie folgende Planungsnotiz vom 30. November 1946 zeigt:

  1. Die Altstadt

Als Sammelstelle für die Altstadt dient am zweckmäßigsten das Gelände nördlich der Insel Schütt bis zur Tucherstraße. Hier sind die Trümmer der Altstadt mit kleinspurigen Feldbahnen und Lastwagen zusammenzufahren. Hier ist nötigenfalls eine Trümmerauslese zu errichten, von hier aus sind die nicht verwertbaren Schuttteile mit einer großspurigen Bahn zur Endkippe zu fahren.

  1. Die Südstadt

Hier ist die Schutträumung verhältnismäßig am weitesten fortgeschritten. Im wesentlichen wurden bis jetzt die Straßen geräumt. In der Südstadt sind künftig die Trümmermassen mit Feldbahnen und Lastwagen zur Trümmerverwertungsanlage Gibitzenhof und zu einer voraussichtlich in der Gegend der Lutherschule zu errichtender Lese- und Brechanlage zu sammeln, von dort zur Endkippe Stadion abzufahren.

  1. Stadtgebiet hinter der Veste bis Wöhrd

In diesem Gebiet wurde mit der Räumung bisher noch nicht begonnen, auch hier ist noch eine Lese- und Brechanlage zu errichten. Die Abfuhrbahn muß sich an die aus der Altstadt entlang dem Prinzregentenufer zu führende Großspurbahn von Wöhrd aus anschließen.

Quelle: Stadtarchiv Nürnberg, Tiefbauamt Akte C20-VIII Nr. 1

Hier kann man erstmalig die Unterscheidung der kleinspurigen 600-mm-Bahnen und der "großspurigen" 900-mm- Hauptabfuhrbahn - der späteren Mollbahn - finden.

Im Januar 1947 hatte man auch ein stadtweites Konzept ausgearbeitet mit eingehenden Untersuchungen zum Materialbedarf, die im Folgenden wiedergegeben werden. Der besseren übersicht halber habe ich die Zeilenumbrüche etwas verschoben, die originalen Quellen mussten natürlich mit dem Papier sparsamer sein und schrieben fortlaufend untereinander, sodass im original Seitenumbrüche mitten durch die Auflistungen verlaufen:

IV. Bemessung der Schutträumung in den einzelnen Stadtteilen bei Vollbetrieb der Brechanlagen

1. Südstadt

a) Anlage Dyckerhoff & Widmann.

   Entfernungen und Massen:

       Schadenstelle    -      Brecher       0,75 km     300 cbm/Tg.

       Brecher          -      Endkippe      6,00 km     250 cbm/Tg.

Gerätebedarf: 1 Lok 60er Spur mit 14 Wagen  =  14 cbm/Zug.
 

       aa) Zufuhr: = 300 cbm/Tag, 60er Spur

           Ladezeit: 0,30 Std.

           Fahrzeit: 0,20 Sdt

           Kippzeit: 0,20 Std_

                     0,70 Std   +  0,3 Std. für Maschinenpflege

           1 Zug  =  1. Std.    =   14  x  8    =   110  cbm/Tg.

           300 :  110   =      3 Züge           =     3 Loks 60er Spur

                     14  +(1)  =     15   x 3   =    45 Wagen

                                                      2 Bagger

       bb) Abfuhr: = 250 cbm/Tag, 60er Spur

           Ladezeit: 0,30 Std.

           Fahrzeit: 0,70 Std.

           Kippzeit: 0,20 Std. _

                     1,20 Std   +  0,3 Std. für Maschinenpflege

           1 Zug  =  1,5 Std.    =   14  x  8/1,5    = 75  cbm/Tg.

           250 :   75   =      3 Züge: 3 + (1)       =  5 Loks 60er Spur

                     14  +(1)  =     15   x 4        = 60 Wagen 60er Spur

b) Anlage Lutherschule

   Entfernungen und Massen:

       Schadenstelle    -      Brecher       1    km   1 500 cbm/Tg.

       Brecher          -      Endkippe      3,50 km   1 250 cbm/Tg.

Gerätebedarf: 
 

       aa) Zufuhr: = 1 500 cbm/Tag, 60er Spur

           Ladezeit: 0,30 Std.

           Fahrzeit: 0,15 Std.

           Kippzeit: 0,20 Std. _

                     0,65 Std   +  0,2 Std. für Maschinenpflege

           1 Zug  =  0,85 Std.    =   14  x 8/0,85 =   130  cbm/Tg.

           1 500 :  130   =     12 Züge 12 + (2)   =    14 Loks 60er Spur

                     14  +(1)  =     15   x 12     =   180 Wagen

                                           8 + (1) =     9 Bagger

       bb) Abfuhr: = 1 250 cbm/Tag, 60er Spur

           Ladezeit: 0,30 Std.

           Fahrzeit: 0,40 Std.

           Kippzeit: 0,20 Std. _

                     0,90 Std   +  0,3 Std. für Maschinenpflege

           1 Zug  =  1,2 Std.    =   14  x  8/1,2    =   95  cbm/Tg.

           1 250 :   95    =     13 Züge:13 + (2)    =   15 Loks 60er Spur

                     14  +(1)  =     15   x 13       =  195 Wagen 60er Spur

Zu erwägen ist eine Umlegung der Abfuhrbahn ab Lutherschule auf 90er Spur; die Abfuhr der Anlage Dyckerhoff & Widmann würde sich dann anteilsmäßig verkürzen, der Gerätebedarf dort vermindern.

2. Altstadt

Anlage: Gegend Neue Gasse

   Entfernungen und Massen:

       Schadenstelle    -      Anlage        1    km  1 200cbm/Tg.

       Anlage           -      Endkippe      8,00 km  1 000cbm/Tg.

Gerätebedarf: 
 

        a) Zufuhr: = 1 200 cbm/Tag, 60er Spur

           Ladezeit: 0,30 Std.

           Fahrzeit: 0,15 Std.

           Kippzeit: 0,20 Std. _

                     0,75 Std   +  0,25 Std. für Maschinenpflege

           1 Zug  =  1. Std.    =   14  x  8    =   110  cbm/Tg.

         1 200 :  110   =     11 Züge 11 + (2)  =    13 Loks 60er Spur

                     14  +(1)  =     15   x 11  =   165 Wagen

                                    6 + (1)     =     7 Bagger

        b) Abfuhr: = 1 000 cbm/Tag, 90er Spur

           Ladezeit: 0,30 Std.

           Fahrzeit: 0,60 Std.

           Kippzeit: 0,30 Std. _

                     1,20 Std   +  0,3 Std. für Maschinenpflege

           1 Zug  =  1,5 Std.    =   60  x  8/1,5    =   320  cbm/Tg.

         1 000 :   320    =      3 Züge: 3 + (1)     =     4 Loks 90er Spur

                     15  +(1)  =     16   x 3        =    48 Wagen 90er Spur

3. Maxfeld/ Wöhrd

   Anlage: Gegend Wöhrd

   Entfernungen und Massen:

       Schadenstelle    -      Anlage        1,5  km   1 500 cbm/Tg.

       Anlage           -      Endkippe      7,50 km   1 250 cbm/Tg.

Gerätebedarf: 
 

        a) Zufuhr: = 1 500 cbm/Tag, 60er Spur

           Ladezeit: 0,30 Std.

           Fahrzeit: 0,30 Std.

           Kippzeit: 0,20 Std. _

                     0,80 Std   +  0,2 Std. für Maschinenpflege

           1 Zug  =  1. Std.    =   140  : 8      =   110 cbm/Tg.

           1 500 :  110   =     14 Züge 14 + (2)  =    16 Loks 60er Spur

                     14  +(1)  =     15   x 14    =   210 Wagen 60er

                                         8 + (1)  =     9 Bagger

        b) Abfuhr: = 1 250 cbm/Tag, 90er Spur

           Ladezeit: 0,30 Std.

           Fahrzeit: 0,60 Std.

           Kippzeit: 0,30 Std. _

                     1,20 Std   +  0,3 Std. für Maschinenpflege

           1 Zug  =  1,5 Std.    =   60  x  8/1,5    =  320  cbm/Tg.

           1 250 :   320   =  4 Züge    4 + (1)      =   5 Loks 90er Spur

                     15  +(1)  =     16   x 4        =  64 Wagen 90er Spur

Quelle: Stadtarchiv Nürnberg, C20/VIII Nr. 1, 287 ff

Die vorgeschlagene Führung der Hauptschuttbahn zur Anlage Lutherschule scheint nie zustande gekommen zu sein, die Ausschreibungsunterlagen zur 900-mm-Bahn führen nur den geplanten Verzweig vom Prinzregentenufer nach Wöhrd auf. Mit Ausnahme der Durchfahrstrecke Dürrenhof- Fischbach und den Ausweichen (z. B. Regensburger Straße) war die Südstadt also fest in der Hand der 600-mm-Bahnen.

Dennoch lässt sich daraus zumindest schon einmal entnehmen, das die 600-mm- Bahnen - oder eben zeitgenössisch 60-cm-Spur - die weitaus größere Rolle gespielt haben, weswegen deren Netz eigentlich die größere Aufmerksamkeit zukommen müsste. Konkret haben wir 6 Einsatzgebiete für 600-mm-Bahnen (Zulieferung zu allen 4 Verwertungsanlagen + Abfuhr von den beiden Anlagen der Südstadt) im Kontrast zu nur 2 Einsatzorten, wo die "großspurige“ 900-mm- Bahn die Abfuhr von den Verwertungsanlagen zur Endkippe vornehmen sollte. Aber die Vorstellung, das tatsächlich 56 Stück 600-mm-Dampfloks durch Nürnberg zeitgleich gerattert wären, ist sehr wahrscheinlich dennoch zu hoch gegriffen. Nicht alle Bahnen haben außerdem gleichzeitig existiert, näher werden wir das noch im Thema Kreuzungen kennenlernen. Nichts desto trotz zeigt jener Materialbedarf schon einmal die Größenordnungen um die es ging. Nach der Berechnung der einzelnen Betriebsmittel wurde nochmals in einer Tabelle summiert:

 

 

Brech-

anlage

Bagger

Loks 60er

Spur

Loks 90er

Spur

Wagen 60er

Spur

Wagen 90er

Spur

Südstadt

Anlage DuW

1

2

7

-

105

-

Südstadt

Luther-schule

1

9

29

-

375

-

Altstadt

1

7

13

4

165

48

Maxfeld +

Wöhrd

1

9

16

5

210

64

 

 

 

 

 

 

 

zusammen

4

27

65

9

855

112

Davon in

Betrieb

4

24

56

7

784

105

Reserve

-

3

9

2

71

7

Datenquelle: Stadtarchiv Nürnberg, C20/VIII Nr. 1 Blatt 287 ff,


Gleich im Anschluß betrachtete man den Personalbedarf:

a) Handschachtkolonnen erfordert

    1 Vorarbeiter

   15 Hilfsarbeiter

   15 (1) Arbeiter

b) Baggerbetrieb erfordert

    1 Baggermeister

    1 Schmierer

    2 Vorstrecker

    1 Aufzeiger

    6 Vor- und Nachräumer

   11 (2) Arbeiter      (  ) Facharbeiter

c) ein Zug erfordert

    1 Lokführer

    1 Heizer

    1 Bremser

    3 Arbeiter

d) eine Gleiskolonne erfordert

    10 (1) Arbeiter

e) Kippmannschaft erfordert

    15 (1) Arbeiter

f) Brecheranlage Dyckerhoff&Widmann erfordert

    20 (5) Arbeiter

g) Großbrechanlage erfordert

    40 (10) Arbeiter

Datenquelle: Stadtarchiv Nürnberg, C20/VIII Nr. 1 Blatt 287 ff

Die erwähnten Gleiskolonnen dienten speziell auf den Kippen dazu, das Gleis gemäß den sich stetig wandelnden Abkipporten zu verschieben und zu verlegen. Diese Zahlen, speziell bei den 600-mm-Bahnen lassen aber schon ahnen, das weder an Mensch noch an Maschine je soviel vorhanden sein konnte, so kurz nach dem Krieg, in Zeiten, wo die Wirtschaft noch völlig darnieder lag und viele niemals heimgekehrt sind. Selbst mit heutigen Mitteln, wäre so ein Großprojekt mindestens als ambitioniert zu bezeichnen. Der übersicht halber werfen wir einen Blick auf spätere Zeiten, wie die Realität aussah:

Obige Ermittlung wurde im Januar 1947 durchgeführt, der Jahresbericht vom 31. 12. 1947 gibt dann etwas Einblick darin, wie es tatsächlich aussah, unter der Rubrik Materialeinsatz lesen wird dort:

Bagger 16, davon 2 für Schuttbahn Fischbach

Diesel-Loks: von 24 auf 36 Stück gesteigert als Ersatz für

             ausgefallene Dampfloks

Dampfloks: Zugang bei Bahn Fischbach 90 cm Spur: 5,

           Abgang bei Förderbahnen 60 cm Spur wegen

           Kohlenmangels 17

Gesamtstand Ende 1947: 10

Geleisanlage: 90 cm Spur 11,8 km, 60 cm Spur 33,4 km.

Lastkraftwagen: bis März 1947 keine, Einsatzzahl schwankend von 5-53 Stück, Mittelwert für die Zeit vom 1. IV. - 23.XII.1947: 30

Quelle: Stadtarchiv Nürnberg F 2 Nr. 48, S. 356 f.


Von den benötigten 65 600-mm-Loks hatte man definitiv zu wenig eine Steigerung um 12 Dieselloks sollte den Ausfall von 17 Dampfloks (!) ausgleichen. Geht man davon aus, dass die 5 Stück 900-mm-Loks die erste Lieferung waren, dann heißt es, das zuvor 22 Stück 600-mm-Dampfloks unterwegs waren. Nun wurden 17 Dampfloks wegen Kohlenmangel abgestellt, aber 36 Dieselmaschinen verrichteten weiter den Dienst, womit insgesamt 41 600-mm-Loks gleichzeitig im Einsatz standen! Das korrespondiert auch mit den angegebenen Streckenlängen die eindeutig zu gunsten der 600-mm-Bahn ausfallen.

Auch 1948 hat man die Maximalwerte nicht erreicht, diesmal lauten die Zahlen:

 

Anfang des Jahres

(Höchststand)

Ende des Jahres

Firmen mit Großgerät

15

9

Firmen ohne Großgerät

7

3

Arbeitskräfte

65

179

Bagger

16

12

Dampfloks

10

                       13

Dieselloks

36

5

Gleisanlage

40,6 km

21,6 km

Lastkraftwagen schwanken von 0-39 Stück, Mittelwert 18.                 

Datenquelle: Stadtarchiv Nürnberg F 2 Nr. 48, S. 593 f.

Im Gegensatz zur Hauptabfuhrbahn, sind jene frühen Netze in ihrer exakten Gleislage kaum zu fassen, sodass deren Nachweis weitgehend nur über einige wenige Zwangspunkte gelingt. Dazu mehr in Kapitel 4. Zunächst werfen wir einen Blick auf die Trümmerräumung während des Krieges:

Kapitel 2: Räumung während des Krieges...

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